Vertrauen ist gut, Kontrolle besser...
Was aber ist wenn die Kontrolle versagt hat und fehlerhafte Medizinprodukte in den Umlauf gelangen? Können diejenigen, die am Zertifizierungsverfahren teilgenommen haben, zur Verantwortung gezogen werden und Ihnen als Betroffenen gegenüber zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein? Unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, erfahren Sie hier:
Nur zertifizierte und mit einem CE-Kennzeichen versehene Medizinprodukte dürfen auf den europäischen Markt gebracht und vertrieben werden. Produkte erhalten das CE-Prüfzeichen, wenn eine staatlich autorisierte und überwachte unabhängige Prüf- und Zertifizierungsstelle (zum Beispiel der TÜV oder die DEKRA, weitere Prüfstellen entnehmen Sie bitte anliegender Liste) positiv festgestellt hat, dass das Produkt alle festgelegten Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt.
Schleichen sich im Rahmen dieses Prüfverfahrens Fehler ein, so kann die Prüfstelle zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein. Der Anwendungsbereich des § 823 BGB ist eröffnet, wenn das verwandte Produkt fehlerhaft ist
Tipp
Ihnen obliegt der Nachweis, dass das verwandte Produkt fehlerhaft ist. Es ist daher empfehlenswert, operativ entfernte Medizinprodukte zu Beweissicherungszwecken aufzubewahren.
Weitere Voraussetzung ist, dass
- Sie durch die Verwendung des fehlerhaften Produkts einen Schaden erlitten haben,
- die privatrechtlich tätige Aufsichtsstelle eine Pflicht verletzt hat,
- das heißt sie entweder das Qualitätssicherungsverfahren des Herstellers nicht auf dessen Eignung hin förmlich überprüft hat
- oder sie die Produktauslegung des Herstellers nicht daraufhin geprüft hat, ob diese den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Gut zu wissen
Aufgabe der privatrechtlich tätigen Aufsichtsstellen ist nicht die Produktüberwachung. Diese obliegt den staatlichen Behörden, den sog. Marktüberwachungsbehörden. Diese lassen regelmäßig klinische Prüfungen durchführen. Stellt sich dabei heraus, dass die Anwendung eines Produkts risikobehaftet ist, so ordnen sie die erforderlichen Maßnahmen zur Risikobeseitigung an und sorgen dafür, dass Verstöße künftig verhindert werden. Bitte beachten Sie, dass die privatrechtlichen Aufsichtsstellen nicht dafür verantwortlich sind,
- einzelne Produkte auf Ihre Fehlerfreiheit zu überprüfen.
- Manipulationen des Herstellers aufzudecken.
- unangemeldete Kontrollen durchzuführen.
- festzustellen, ob das Verfahren zur Qualitätssicherung tatsächlich eingehalten wird.
- festzustellen, ob die Produktauslegung tatsächlich eingehalten wird.
Das Landgericht Frankenthal hatte in 2016 über die Schmerzensgeldklage einer Frau unter anderem gegen den TÜV Rheinland zu entscheiden. Die Klägerin hatte darin behauptet, ihr seien Brustimplantate eingesetzt worden, die mit krebserregendem Industriesilikon gefüllt waren. Die Klägerin hatte die Implantate operativ entfernen lassen, nachdem der Hersteller in die Kritik geraten war. Das Gericht hat die Klage abgewiesen (vgl. das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 14.03.2013, Az. 6 O 304/12, abgedruckt in MPR (Medizinprodukterecht) 2013, 134 ff.). Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt,
- dass die Betroffene nicht bewiesen habe, dass die bei ihr verwandten Implantate tatsächlich Industriesilikon enthalten haben.
- die Betroffene eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB nicht dargelegt habe. Die Betroffene ist nachweislich nicht an Krebs erkrankt. Es bestehe daher allenfalls die Gefahr einer Körper- bzw. Gesundheitsverletzung. Eine nur erhöhte Gesundheitsgefahr könne aber nicht mit einer Schädigung der Gesundheit gleichgesetzt werden und löse daher keine Pflicht zur Zahlung von Schmerzensgeld aus.
- dem TÜV Rheinland keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, da der TÜV keine Produktbeobachtungspflicht habe. Diese obliegt den Marktüberwachungsbehörden.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Entscheidung des Landgerichts Frankenthal vom 14.03.2013, Az. 6 O 304/12, mit Urteil vom 30.01.2014, Az. 4 U 66/13, bestätigt. Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt.